Dr. Michael Wachendorf

Dr. Michael Wachendorf
Universität Kassel, Witzenhausen

Wir produzieren ja nicht Strom in erster Linie, sondern einen Wärmeenergieträger, einen Brennstoff, der gespeicherte Wärme darstellt. Im Sommer gewinnen wir ihn, legen ihn beiseite und holen ihn im Winter heraus, damit uns warm ist. Und das ist etwas Hochemotionales, wenn man sich vorstellen kann wie es einem geht, wenn man friert.

Ich habe das Projekt an der Uni Kassel von Dr. Konrad Scheffer übernommen, in einem direkten Diskussionsprozess mit ihm. Ich hatte natürlich Interesse daran, dass seine Arbeit mit dem Ruhestand nicht verloren geht. Er suchte das Gespräch mit mir aus seiner Denkrichtung her, die erstmal nicht meine war, da er sich eher mit den Früchten des Ackers beschäftigte und ich jemand bin, der mit Grünland arbeitet. Diese Vegetationen liegen in ganz unterschiedlichen Naturräumen und folgen anderen Gesetzen.

Wir trafen uns an der Stelle, dass er sagte: „diese Technik funktioniert, aber wenn wir sie auf die Früchte des Ackers anwenden, sind wir genau im gleichen Kanal wie die konventionelle Biogas-Industrie: wir bewegen uns auf den Flächen, wo auch Nahrungsmittel und Futtermittel produziert werden.“ In dieses Gewässer wollte ich nie kommen.

Er fragte mich: „Könnte das nicht auch auf Deinem Grünland funktionieren?“ Ich sagte ihm: „Damit das Grünland seine Naturschutzfunktion erfüllen kann, dürfen wir es nur ganz spät schneiden. Dann sind da so viel Fasern drin; ich glaube gar nicht, dass das funktioniert.“ Und er sagte: „Ja, aber das können wir doch mal probieren!“ Und das war der Moment wo’s begann zu zünden.

Die wissenschaftliche Arbeit, das ist mein Motor.

Dann gingen wir zusammen auf eine Exkursion und besuchten solche Grünlandflächen. Als Ackerbauer wusste er auch nicht von den Problemen des Naturschutzes: Was tun mit der Biomasse? Dann standen wir auf einer Wiese am Hohen Vogelsberg und er sagte: „Awww, ist das schön hier. Das wusste ich gar nicht, dass ihr solche Probleme habt. Wir müssen da unbedingt was tun. Du musst das untersuchen – so, dass es tragfähig ist.“ Er war ein extremer Motivator, ein sehr inspirierender Mensch. Der ‚Blaue Konrad’ ist eine Hommage.

Dr. Michael Wachendorf

Im ersten Versuch haben wir es mit ganz wenig Geld und Plastikeimern versucht. Wir haben dann immer ein bisschen mehr Geld bekommen, konnten uns ordentliche Geräte leisten. Die Ergebnisse haben sich immer bestätigt. Bis heute kam es zu keinen Widersprüchen resultierend aus der Technik, hinsichtlich sozialer Ziele, des rechtlichen Rahmens, den Zielen des Naturschutzes. Es fällt alles schön zusammen! Diese Widerspruchsfreiheit hat zur Motivation beigetragen. Ich trage sozusagen die Fackel eines Vorgängers weiter, habe sie jetzt aber auf einem Gebiet gezündet, das sozial und ökologisch verträglicher ist. – Also viel mehr ‚win-win-win-Situation’. Das hat man selten.

Wenn der Profit im Vordergrund steht, kommt es zu Konflikten – zu ethischen Konflikten, wie in der konventionellen Biogasindustrie, die zwar effizient entwickelt wurde und ja auch etwas an fossilen Energieträgern ersetzt. Aber die Biomasse wird auf fruchtbaren Ackerböden produziert. Das war eine politische Entscheidung und eine folgerichtige, technische Entwicklung, aber man konnte voraussehen, dass es Konflikte generiert.

Ich glaube nicht, dass dieses Fachgebiet Hierarchien braucht.

Ich habe ungefähr 20 Mitarbeiter um mich herum, 10 davon sind Doktoranten. Die administrativen Mitarbeiter unterstützen mich und die Doktoranten fordern mich. Und für die tue ich die Arbeit. Klar, ich halte Vorlesungen und das ist auch eine gute Abwechslung, aber das befriedigt mich längst nicht so wie die Termine mit meinen Doktoranten, wo sie mir ihre Ergebnisse zeigen und wir darüber diskutieren, was sie bedeuten, welche Fragen sie beantworten und welche neuen sie stellen.

Das ist das Große für mich, wenn meine Studenten das Gefühl haben, dass ich ihnen helfen kann, dass das wichtig ist, was sie tun, dass es gebraucht wird. Was sie tun, soll eine gesellschaftliche Relevanz haben und wir sehen ja, dass uns die Akteure zuhören. Es einfach klasse, dass sich zum Beispiel ein Betriebsleiter aus Sachsen, für die Ergebnisse einer Universität interessieren kann. Da habe ich eine riesige Lücke geschlossen, wo eigentlich das ganze Bildungssystem viele Zwischenstufen zieht. Diese Übersetzer brauch ich nicht.