Bernhard Schneider

Bernhard Schneider
Projektleiter DANUBENERGY, Energieagentur der Regionen, Waldviertel Österreich

Das Gras ist ein schönes, verbindendes Element. Wenn man da etwas verbessert, merkt man positive Auswirkungen in unglaublich vielen anderen Politikbereichen.
Das würde man auf den ersten Blick wahrscheinlich nicht glauben. Aber wenn man den Gedanken aufgreift, dass es nicht sinnvoll ist Gras verrotten zu lassen, sondern weiterzuverarbeiten, landet man – je nachdem aus welcher beruflichen Ecke heraus man zu denken beginnt – in ganz verschiedenen Effekten. Und so gut wie alle sind sie positiv.

Ich komme aus dem Waldviertel, dem nördlichsten Teil Niederösterreichs. Traditionell ist die Region wirtschaftlich schwach. Schon in der rein landwirtschaftlichen Zeit hat es eigentlich nie besonderes Kapital oder besonderes Interesse der Wirtschaft gegeben aus der Region etwas zu machen. Das ist nicht durch den Kalten Krieg passiert ist oder sonst wie. Sondern das ist sozusagen über Jahrhunderte eingeübt, dass man eine bescheidene wirtschaftliche Rolle spielt. Und dazu passt dann auch die Landschaft, in der nicht so viel wächst wie anderswo.

Dann kam die Zeit der ‚Regionalentwicklung’ durch Geschenke, durch geförderte Betriebsansiedlungen und so. Das haben wir relativ schnell hinter uns gehabt, weil das nicht die Erwartungen erfüllte. Das Geld ist vielleicht in die Region investiert worden. Gleich sind die Betriebe wieder weitergezogen. Spuren haben sie nicht hinterlassen. Gut, da muss man auch durch.

Man versucht dann Dinge, wenn man nichts zu verlieren hat.

All das hat Ernüchterung hinterlassen. Der einzelne Mensch, der bei uns lebt, hat relativ wenig mit Erfolgsgeschichten zu tun gehabt. Im ganzen Leben hat er Weniges gesehen, das jemand anderem wirklich gelungen ist und dadurch keine positiven Beispiele gehabt für sein eigenes Handeln. Dazu kommt, was man so als ‚Braindrain’ bezeichnet. Dass die Leute, die gut ausgebildet sind, die Gegend verlassen und man Erklärungsbedarf hat, wenn man da bleibt und nicht ganz blöd ist, warum man denn nicht woanders Fuß fasst, wo man ja was verdienen könnte.

Und dann entdecken die Leute, die dageblieben sind doch - durch einiges Beschnuppern und Herausfinden - dass man etwas gemeinsam hat: eine Trotzhaltung und eine Identität. Wir haben in Österreich den Begriff ‚Eigenständige Regionalentwicklung’ etabliert – nicht zu warten auf andere, sondern die Dinge in die Hand nehmen.

Ich habe mir damals gedacht, dass es vernünftig ist, wenn ich in meiner Region etwas Sinnvolles tun will, dass ich mich mit Regionalentwicklung beschäftige. Ich hab das studiert und mich auf regionale Infrastruktur-Ökonomie spezialisieren wollen, weil ich dachte damit kann man etwas anfangen. Mein erster Ansatz war – 1983 bin ich dafür sehr ausgelacht worden – Energieautarkie für meine Region. Das ist als guter Witz verstanden worden. Mittlerweile hat fast das ganze Gebiet den Status von Klima und Energie Modell Regionen.

Bernhard Schneider

Energieautarkie ist eine wichtige wirtschaftliche Komponente. Wir haben in einer Region mit einem geringen Einkommen und geringer Kaufkraft, wo man mit 1300€ oder 1400€ netto zu den guten Verdienern einer Gemeinde gehört, einen Kaufkraftabfluss von 350 Mio Euro im Jahr bei einer Einwohnerzahl von 220.000. Das heißt dieses Geld geht uns ganz massiv ab. Das könnten wir, wenn es in der Region bleibt, mehrfach zirkulieren lassen.

Da passt IFBB rein. Das Gras ist ein schönes, verbindendes Element. Wenn man da etwas verbessert, merkt man positive Auswirkungen in unglaublich vielen anderen Politikbereichen. Das würde man auf den ersten Blick wahrscheinlich nicht glauben. Aber wenn man den Gedanken aufgreift, dass es nicht sinnvoll ist Gras verrotten zu lassen, sondern weiterzuverarbeiten, landet man – je nachdem aus welcher beruflichen Ecke heraus man zu denken beginnt – in ganz verschiedenen Effekten. Und so gut wie alle sind sie positiv.

Das kann die Hochwasserzurückhaltefähigkeit sein, das kann die Einkommensschaffung für ländliche Betriebe sein. Das kann das Prinzip sein, dass man einfach nichts verkommen lässt – als eine Art mentale Handlungsanleitung. Das kann die Klimawirkung sein, der Effekt auf den Wasserkreislauf, auf die stabilisierende Wirkung bei den Niederschlägen oder die Biodiversität. Wenn man diese Dinge alle zusammendenkt, ist es hochwirtschaftlich.

Bei uns liegt vor allem der Gedeih und Verderb, der Erfolg oder Misserfolg, an der Frage, ob man als ‚Abfallproduzent’ eingestuft wird oder nicht. Denn eines der Hauptprodukte, das wir nach dem Weggang der Industrie noch haben, ist immerhin das Gras. Und wenn uns gesagt wird, eines unserer Hauptprodukte - das arbeitsintensiv gewonnen wird - sei ‚Abfall’, dann ist das eine gewisse Geringschätzung der Produktivkraft unserer Leute.

Das wird wahrscheinlich am Besten durch Zusammenarbeit auf Europäischer Ebene angepackt. Wir müssen schauen, dass wir von oben nach unten definieren, dass Dinge, die ja später veredelt werden, gar nicht erst ‚Abfall’ werden. ‚Abfall’ ist ein Indikator dafür, dass wir etwas schlecht nutzen. Sonst wäre es ja wieder ein nächster Wertstoff und wir wären in einer Kette.

Ich fühl mich wohl wo ich lebe.Das ist der einzige Luxus, den ich mir leiste.

Was ich von Beruf bin? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Tatsächlich hatte ich das Problem, dass mich – weil ich ja in einem Dorf wohne – die Leute immer wieder gefragt haben was ich mache, bzw. wenn ich zu hause arbeite, im eigenen Büro, entsteht ja auch der Eindruck, ich würde vielleicht gar nicht arbeiten. Ich habe mir deswegen aus dem alten Notenpult eines kaputten Klaviers ein Türschild gemacht und habe das über meine Bürotür gehängt. Ich habe mir gedacht, jeder Beruf, der akzeptiert werden will, sollte zumindest klanglich einem Handwerk anklingen. Jetzt habe ich mir draufgeschrieben ‚Planschmiede’. Ich schmiede Pläne.

Das gemeinsame Merkmal aller Europäischen Länder in den PISA-Tests ist das völlige Fehlen der Problemlösungs-Orientierung in der Bildung. Es ist nicht unbedingt eine europäische Stärke, dass man sagt ‚da packen wir an und das probieren wir und da machen wir etwas draus’. Das wäre jedoch ein gutes Betätigungsfeld für vorhandene Intelligenz. Die Leute, die in diesem Projekt zusammenkommen, sind Leute, die nicht unser Schulsystem produziert hat, sondern die trotz unseres Schulsystems so geworden sind, wie sie sind.