Bernhard Schäfer

Bernhard Schäfer
Leiter der Umwelttechnik Baden-Baden

Meine Familie hat kein Problem mit meinem Job. Was die Kinder mitnehmen, ist die Begeisterung für Etwas. Und das habe ich auch immer versucht ihnen weiterzugeben und zu sagen, „Egal was ihr macht, macht’s mit Herzblut. Seid keine Langweiler.“

Wie es im Leben oft so spielt, sind es Zufälle, die passieren. Ich habe in einer Abendveranstaltung im November teilgenommen. Es war kalt. Ein Bekannter hatte mich eingeladen, der ist bei den Stadtwerken beschäftigt: er hätte einen interessanten Gast, der einen Vortrag hält und ich sollte vorbeikommen. Ich habe überlegt, ob ich da überhaupt hingehen soll. Es war Freitagabend. Dann bin ich doch hingegangen. Der Gast war Professor Scheffer von der Uni Kassel. Der hatte nur zwei Sätze gesagt und schon war mir klar: „Das ist genau das, was uns gefehlt hat.“

Es fängt ja immer mit einer Vision an…

Wir sind in der Bio-Energie schon länger unterwegs. Seit 20 Jahren bereiten wir die Bio-Abfälle der Stadt auf und verarbeiten sie hier energetisch auf der Kläranlage. Uns hat jedoch etwas gefehlt, das wir mit dem Grünschnitt machen können, wie wir den energetisch nutzen können. Und da hat Scheffer die Initialzündung gegeben.

Die Universität Kassel hat von uns einen Auftrag erhalten ein einjähriges Untersuchungsprogram zu realisieren, wie sich unsere Materialien verhalten, ob die PROGRASS-Technologie bei uns reinpasst. Es gab damals Kenntnisse über Gras und Mais, aber es gab keine Kenntnisse darüber wie sich Grünschnitt verhalten würde. Dann mussten wir natürlich noch die politische Entscheidung treffen. Das war eine Investition von 7 Millionen Euro, das kann man nicht zwischen Tür und Angel fällen.

Wir haben ein Verfahren gesucht, was es uns ermöglicht, die etwas problematischere Biomasse, nämlich den Grünschnitt, der sich nicht per se gut zur Vergärung eignet, irgendwie so vorzubehandeln, dass es möglich wird. Die Silage-Produktion war da für uns unheimlich interessant. Wir hatten das noch nie im Portfolio, denn es ist ja eine landwirtschaftliche Technik und wir kommen aus der Abfall- und Abwasserschiene. Wir kennen zwar die Vergärung seit über hundert Jahren, aber die Silage-Produktion nicht. Das war für uns nachher die Initialzündung! Der Grünschnitt fällt ja das ganze Jahr an und muss irgendwie konserviert werden, damit er nicht kaputt geht und da ist die Silage-Produktion das adäquate Mittel! So ist es uns jetzt möglich, den Grünschnitt zu zwei Dritteln einer energetischen Nutzung zurückzuführen.

Nichts was wir tun, ist grundsätzlich neu. Es ist nur so, dass man den Grünschnitt bis jetzt als ‚lästiges Übel’ betrachtet hat. Vor 20 Jahren hat man ihn komplett auf der Deponie entsorgt. Dann kam die Zeit der Kompostierung, das war schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung. Aber es gab viel zu viel Kompost. Durch die energetische Nutzung wird es jetzt möglich, dass er wieder ein werthaltiges Gut wird. Weil der Markt die Menge, die dann kommt, wirklich braucht.

Momentan produzieren wir hier ein Heiz-Äquivalent von rund 2.5 Mio Liter Heizöl. Wir leisten einen relativ großen Beitrag zur CO2-Reduzierung. Das sind über 10.000 Tonnen, was wir an Kohlendioxid einsparen. Aber man darf sich nichts vormachen. Gemessen an dem Gesamtverbrauch der Stadt, ist das vielleicht eine Größenordnung von 5%, die wir beitragen. Es ist keine gewaltige Menge, aber das ist nicht die Frage. Die Frage ist, wie nutze ich die uns übereigneten Abfälle? Das, was wir hier als Brennstoff verkaufen, das brauchen wir nicht an Heizöl oder an Erdgas einsetzen. Das System ist nicht geeignet möglichst schnell Millionär zu werden. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Wir schreiben eine gute Schwarze Null und das ist das Ziel. Das sind dezentrale Lösungen, die kurze Wege ermöglichen und dadurch auch eine Wirtschaftlichkeit mit sich bringen.

Ich finde die Momente in meiner Arbeit am faszinierendsten, wenn sich die ‚Kreisläufe schließen’, wenn man eine Idee hat. Es fängt ja immer mit einer Vision an. Am Anfang denkt man das ist Spinnerei. Dann setzen wir uns zusammen und es entwickelt sich doch irgendetwas daraus.

Das Faszinierende ist, dass es bei diesen Techniken in der ganzen Natur immer die gleichen Abläufe sind. Es ist vollkommen unerheblich, ob wir da Abwasser oder Klärschlamm vergären, Speisereste oder Silage. Es sind immer die gleichen natürlichen Prozesse. Die Natur hält alles für uns bereit, auch in der Abwasserreinigung. Unsere Aufgabe ist lediglich, der Natur optimale ‚Lebensbedingungen’ zu geben, dann macht sie alles mit. Das sind Bakterien, Kleinlebewesen und so weiter - die machen ja die Arbeit für uns. Bieten wir denen die optimalen Lebensbedingungen, dann arbeiten die auch rund um die Uhr, 24 Stunden 365 Tage im Jahr ohne Probleme. Wenn wir das nicht beachten, dann haben wir Stress. Und hier bei der Kläranlage wird der Stress relativ schnell unangenehm.

Deswegen muss man mit dem nötigen Respekt an die Materialien herangehen. So komisch es sich anhört, man braucht auch Respekt vorm Abwasser und vorm Abfall. Je mehr wir versuchen die Dinge von der natürlichen Grundlage zu betrachten, desto einfacher haben wir es nachher. Wir neigen dazu, mit viel Technik die Natur zu vergewaltigen.

Ich kriege oft zum Vorwurf, ich müsste viel mehr ‚rausgehen’ und das viel mehr vorwärts bringen, aber wir sind Anwender hier. Uns macht’s viel Spaß, aber wir haben kein Sendungsbewusstsein. Jeder, der kommt, ist herzlich eingeladen und es gibt auch immer ehrliche Antworten. Aber es ist nur unsere Lösung hier. Es gibt tausend andere Lösungen in tausend anderen Gebieten.